Reinhören: Madsen – Wo Es Beginnt

Zwei Jahre ist es her, dass „Labyrinth“ erschien, ein eher poporientiertes, untypisches Album und nach dem aufbrausenden „Frieden Im Krieg“ stellenweise fast schon seicht. Nun haben Madsen am Freitag ihr fünftes Album mit dem Titel „Wo Es Beginnt“ beim neuen Label Columbia/Sony Music veröffentlicht. Und dessen Ursprünge liegen ganz klar in ihren Anfängen.

Doch Madsen haben sich, nach dem schweren Unfall von Sänger und Gitarrist Sebastian Madsen, auch weiterentwickelt. Es finden sich einige neue Elemente und „Wo Es Beginnt“ ist das erste Album, welches sie komplett selbst produziert haben.

Der Opener mit dem gleichen Titel, wie das Album ist ein hunderprozentiger Madsen-Song, wie er eben auf dem Debüt „Madsen“ oder „Goodbye Logik“ zu finden ist. Madsen haben keinen Neuanfang gestartet, sondern ihre bewährten Rezepte verbessert und ergänzt.
So zeigen bereits die ersten 30 Sekunden des zweiten Titels „Lass Es Raus“, dass die bereits stellenweise auf „Frieden Im Krieg“ zu findenden härteren Elemente ausgebaut wurden. Immer wieder finden sich auf dem 12 Titel starken Album metal-artige, stellenweise für eine Deutsch-Rock-Band äußerst harte Passagen, die wenn, aufgrund des Klangs, am ehesten dem Stoner-Metal zuzuordnen sind.

Gleichzeitig fällt nun allerdings besonders im Kontrast zu den vor Kraft strotzenden Songs auf, wie schlager-artig dagegen manch andere Titel sind. Nicht nur die erste (Major-Pflicht-)Single „Lass Die Musik An“, sondern auch die Titel „So Cool Bist Du Nicht“ oder „Nimm Den Regen Mit“ sind vor allem textlich ganz klar im seichten Wasser der sich immer mehr dem Schlager zu wendenden deutschsprachigen Popmusik zu verorten.
Jedoch finden sich auch bereits auf früheren Alben Songs in diesem Stil. Meiner Meinung nach sorgen diese balladesken Songs allerdings dafür, dass der Gesamteindruck des Albums dadurch getrübt wird, weil zwischen den aufreibenden Krachern immer wieder diese „Verschnaufpausen“ eingelegt werden.

Auch das zwar sehr gute und außergewöhnliche mit Walter Schreifels aufgenommene „Love Is A Killer“ ist abgesehen vom großartigen Refrain und dem späteren Zwischenspiel ein Titel, dessen Qualitäten nicht vollkommen ausgereizt werden.

Das darauf folgende „Alarm Im Paradies“ bietet dagegen jedoch eine ordentliche Portion handfesten Rock, der erneut in den Metal-Bereich abdriftet. Zum ersten Mal, finden sich z.B.  in einem Madsen-Song Triolen und ein Bass-Solo.

Die Texte auf „Wo Es Beginnt“ beschäftigen sich zum Teil auch mit politischen, gesellschaftsrelavanten Themen, wie z.B. in den Stücken „Baut Wieder Auf“, „Generation Im Arsch“ und „Alarm Im Paradies“ und bieten so einen Gegenpol zu den meist eher persönlichen Inhalten.
Der letzte Titel „Es Wird Schon Wieder Gut“ verarbeitet dann die Geschenisse nach dem Unfall von Sebastian Madsen und habe die Bandmitglieder immer wieder zu Tränen gerührt.

Alles in allem, ist „Wo Es Beginnt“ vielleicht das beste bisherige Madsen-Album. Die Eigenproduktion hat absolut funktioniert und unter Umständen sogar noch das ein oder andere mehr herausgekitzelt.
Madsen schaffen es einen eigenen Stil zu bieten, der sowohl für Pop- als auch Rockfans Anschlusspunkte bietet und niemanden auf die Dauer langweilt, da genüngend Abwechslung geboten wird. Da kann man nur sagen: Bitte, weiter so!

Die „Limited Edition“ kommt übrigens im schicken Digipack mit einer Bonus-DVD daher, die eine kurzweilige Dokumentation über die Entstehung des Albums, die Videos zu den ersten beiden Singles und ein Best-Of des Madsen-Videoblogs „Willkommen bei Madsen“ bietet. Die zwei bis drei Euro mehr, lohnen sich anzulegen.

Justin Timberlake – Futuresex/Lovesounds: 6 Jahre später

Vor inzwischen fünf Jahren, als noch keine Zeitungen, Zeitschriften und erst recht keine Menschen sich mit David Guetta beschäftigten, gab es einen anderen Produzenten im Pop-Kosmos der einen ähnlichen Status hatte, wie der langhaarige 3-Tage-Bart-Träger ihn zurzeit hat: Timbaland

Der fünf Jahre jüngere Amerikaner hatte sie damals alle. Ob die sich bereits damals auf dem absteigenden Ast befindende „Queen of Pop“ Madonna („Hard Candy„), die etwas andere Popsängerin Nelly Furtado („Loose„) oder den immer noch jungen, aber doch gereiften Justin Timberlake („Futuresex/Lovesounds„). Er produzierte für 50 Cent („Ayo Technology (feat. Justin Timberlake)“) und viele andere Popgrößen.

Auf seiner eigenen Zusammenstellung auf Albumlänge „Shock Value“ sangen und rappten Black Music Größen, wie Missy Elliot, Persönlichkeiten wie Elton John und sogar Rockbands wie Fall Out Boy und The Hives nahmen Songs mit ihm gemeinsam auf.

Wie oft hörte man die Singles „Maneater“ und „Say It Right“ von Nelly Furtado, die unzähligen Auskopplungen Justin Timberlakes und die Kooperationen zwischen mehreren Künstler wie „Give It To Me“ (Nelly Furtado & Justin Timberlake), „The Way I Am“ (Keri Hilson & D.O.E.) oder „Scream“ (Keri Hilson & Nicole Scherzinger) aus dem Radio dudeln.
OneRepublic verschaffte er mit „Apologize“ gar die Aufmerksamkeit für ein ganzes Album.

Timbalands Sound war stets eher reduziert, wenn nicht gar minimalistisch. Vor allem im direkten Vergleich mit den auf 100 Spuren produzierten Dancefloor-Hymnen David Guettas klingen manche Songs fast dünn und leer.
Doch damals kam ein Großteil an chartsrelevanter Musik nicht ohne Klacken und Klatschen von Percussion aus.

Futuresex/Lovesounds“ von Justin Timberlake war eines der ersten Alben, die ich mir ganz bewusst von meinem eigenen Geld kaufte und anschließend rauf und runter hörte. Und auch heute klicke ich die Songs auf meinem iPod im Shuffle-Modus nicht immer (gleich) weiter.

Das, was vor allem das zweite Album des ehemaligen *NSYNC-Mitgliedes ausmachte war der stellenweise fast bandartige Sound. Timbaland hatte einen Großteil der zwölf Songs mitproduziert und dem Album neben Rick Rubin quasi einen Rahmen verliehen.

Die Beats sind klar, teilweise fast wie von einem echten Schlagzeug gesampelt. Die verschiedenen Tonspuren lassen sich oftmals fast genau heraushören. Dort ein Synthie, da ein Keyboard, dort die Beats, da zwei verschiedene Percussion-Samples, da die E-Gitarre. Die Lyrics fast immer problemlos verständlich, melodiös aber auch gerappt.

Auch der Aufbau des Albums und auch der der Songs wirken eher wie auf einer Rockplatte. Zwölf Tracks mit einer Gesamtlänge von über 65 Minuten, keiner unter vier Minuten – zumindest wenn man die Pre- und Interludes miteinbezieht. Ein klassisches Mittel im Hip-Hop/R’n’B-Bereich, doch selten so umgesetzt wie hier. In „Lovestoned“ z.B. mit einer reinen E-Gitarren-Sequenz die in eine Soul-Nummer überleitet.

Überhaupt findet sich hier viel Außergewöhnliches, nicht nur die vielen klar erkennbaren Gitarren, auch Geigen und andere Instrumenten-Samples hört man – nicht nur Synthie-Wände, wie bei Mr. Guetta.

„Futuresex/Lovesounds“ ist ein Popalbum, welches Einflüsse aus den verschiedensten Genres beinhaltet und dessen Tracks größtenteils von Hip-Hop-Produzenten (neben Timbaland, u.a. will.i.am und Danja) produziert wurden.

Heute spricht kaum jemand mehr über Justin Timberlake, der mit der Musik aufgehört und sich der Schauspielerei gewidmet hat. Doch ich glaube, dass aufgrund des nicht zu überladenden Klangs, vor allem auch bei den sich am Schluss befindenden drei Balladen, die Relevanz des Albums und somit auch die von Timbaland im Endeffekt höher sein wird, als die der Titel von David Guetta. Denn je weniger überbordend Musik ist, desto weniger ist das Hören, auch nach vielen Jahren, von Schamgefühlen behaftet.

Songtipp: The Pipettes – Boo Shuffle

Wie konnte ich das nur verpassen?

Nach dem unglaublich flach geratenen Elektro-Pop Nachfolger vom Debüt „We Are The Pipettes„, „Earth Vs. The Pipettes„, haben The Pipettes endlich wieder zu ihrem fantastischen Retro-Sound zurückgefunden. „Boo Shuffle“ bietet wunderbar, zuckersüßen 50s/60s-Pop voller Power.

Wenn sich jetzt noch das hoffentlich bald erscheinende dritte Album diesem Sound anschließt, ist alles wieder gut.

Im Video wurden die beiden Damen von der Tanzgruppe The Actionettes unterstützt.

Songtipp: Kate Nash – Under-Estimate The Girl

Frische Musik aus dem Hause Kate Nash. Die junge Britin umgibt sich längst nicht mehr nur mit zuckersüßen Popmelodien. In einem nun veröffentlichten neuen Song, wird ihre ohnehin schon wunderbar selbstbewusste Art, verpackt in retroesken, reduzierten Sound, zu einer Hommage an die Riot Grrrl Bewegung. Sehr klasse!

Da hoffe ich mal, dass man auf ein neues Album nicht all zu lang warten muss.

Auf soundcloud.com lässt sich der Song übrigens kostenlos und legal downloaden: