Reinhören: Jan Delay – Hammer & Michel

jan-delay-hammer-michel-coverVergangene Woche hat Jan Delay sein inzwischen viertes Solo-Studioalbum „Hammer & Michel“ veröffentlicht. Nicht nur der Titel ist eine Anspielung, auch die zwölf Songs des Albums haben einiges an Zitaten in petto.

Eine Rockscheibe sollte das nächste Projekt werden, sagt Jan Delay selbst in Interviews und auf der Bonus-DVD der Limited Edition. Tatsächlich schöpft er und sein Produktions-Team mit Band Inspiration aus zahlreichen Genres.

Natürlich liegt hier kein lupenreines Rockalbum vor. Jan Delay kam mit den Absoluten Beginnern aus dem deutschen Hip-Hop-Ursprung und hat solo stets Funk- und Soul-Pfade betreten. Auch seine eigene Version von Rockmusik lässt seinen Background nicht vergessen. Man fühlt sich an Aussagen Caspers zu seinem letzten Album „Hinterland“ erinnert. Auch der stets offensiv Hamburg vertretende Jan Eißfeldt hat viele Einflüsse aus seinen persönlichen Hörgewohnheiten gewonnen, die wohl in den letzten Jahren vor allem im Rockbereich angesiedelt waren.

Am auffälligsten dürfte die „Scorpions-Ballade“ in der Mitte des Albums sein. Hier könnte es sich fast um ein Scorpions feat. Jan Delay Projekt handeln, so passend übersetzt er die Kitsch-Trademarks des späten bis aktuellen Scorpions-Sounds.

Beim funkigen, Uptempo-Groover „Action“, findet sich im hinteren Songteil ein Gitarren-Solo mit offensichtlichem Knopfler/Dire Straits Motiv.

Allgemein klingt das Album weniger nach Soloalbum, als nach Band-Projekt. Auch der Songaufbau ist teilweise dieser Natur (Intro – Strophe – Refrain – Strophe – Refrain – Solo – Refrain). Das Rockband-Setting, mit prägnanten Drums und Gitarren, fällt im Gegensatz zu früherem Material, sehr auf. Das Gitarrenspiel ist allgemein für eine Pop/Rock-Scheibe recht abwechslungsreich und hörenswert. Die Drums sind leider nicht optimal abgemischt, sondern etwas zu flach im Klang, passen aber dennoch zum Gesamtoutput.

Die ab und zu vertretenen Background-Sängerinnen klingen gewohnt soulig, aber es finden sich auch immer wieder andere Referenzen in den Songs, z.B. aus Indie Rock („Dicke Kinder“). Groovig klingt es jedenfalls immer.

Auch der Humor in den Texten kommt natürlich nicht zu kurz. Gewohnt trocken und starr, aber immer zum schmunzeln und nachdenken anregend und nie einfallslos. Eben eindeutig typisch Jan Delay.

„Hammer & Michel“ ist eine Rockscheibe die nichts für „die hard“ Rock und Metal Fans ist, für den offenen Musikfan, aber ein schönes, leckeres, verspieltes Album bietet, welches nicht nur den Alibi-Rocksong enthält und definitiv Genregrenzen sprengt.

Kritik: Ghost live im Bürgerhaus Stollwerck Köln

Am vergangenen Sonntag war die schwedische (Okkult-)Rock-Band Ghost zu Gast im sehr gut gefüllten Kölner Bürgerhaus Stollwerck. Die Band erfährt seit Veröffentlichung ihres ersten Albums „Opus Eponymous“ einen weltweiten Hype. Der recht unspekatuläre, klassische Hard Rock spricht auch scheinbar Fans härterer Metal-Arten an. Besonders durch ihre anonymen (Keine richtigen Namen, lediglich „Papa Emeritus I.“ als Angabe für den Sänger und „The Nameless Ghouls“ für die Musiker), aber auch provozierenden Auftritte polaraisieren sie stark.

Dass Ghost ihr Okkult-Image nicht wirklich ernst meinen, lässt sich wahrscheinlich nicht nur daran festmachen, dass ihr Sänger als Papst verkleidet mit zum Totenkopf geschminktem Gesicht auftritt, sondern z.B. auch daran dass sie etwa den The Beatles Titel „Here Comes The Sun“ covern, für eine eher düstere Band doch eine stark ironische Songwahl.

Spätestens bei einem Konzertbesuch stellt man fest, dass diese Band eine fast perfekte Show abliefert und quasi als eine Art Gesamtkunstwerk bezeichnet werden kann. Die recht wenigen Ansagen während des über 90-minütigen Gigs, wirkten als ob man einem Musical, in dem es um dem es um irgendetwas nicht näher definiertes dunkles geht, beiwohnt. Es ist ganz klar Show, aber hervorheben muss man, dass Ghost nicht wie eine billige aufgesetzte Satire wirken, sondern alles was sie machen eine gewisse Wertigkeit besitzt. Gerade diese Ernsthaftigkeit, die nur durch immer wieder aufkommende Ironie gebrochen wird, führt dazu, dass man schnell beeindruckt wird. So liefern Ghost auch großartige Rocksongs, wie beispielsweise „Ritual“ oder „Monstrance Clock“ ab. Ihre musikalische Ausrichtung ist dabei nichtmals durchweg dem Hard Rock zuzuordnen, immer wieder findet man klare Metal-Passagen, aber auch Flirts mit Soul, Blues oder Pop. Dabei wird hier jedoch keineswegs nur rezitiert, sondern ein vollkommen eigener Stil entwickelt, der vielleicht nicht jedem gefallen wird, stellenweise unspektakulär oder sogar seicht ist, aber dennoch eine starke Ausstrahlung besitzt.

Die Setlist setzte sich zu gleichen Teilen aus dem Debüt und dem Nachfolgewerk „Infestissumam“ zusammen. Die Stimmung war gut, einige im Publikum konnten sogar die zum Teil lateinischen Texte oder Phrasen mitsprechen bzw. -singen.

Ghost dürfte noch eine große Zukunft bevorstehen, so sind sie durch ihren nicht zu harten Klang auch für weniger Metal-interessierte Hörer attraktiv.

Im Vorprogramm durfte sich die junge Newcomer-Band The Oath präsentieren: Female-Fronted-Hardrock mit klarer End-60er/70er-Ausrichtung und okkultem Touch. Die Band ist noch in den Anfängen, ein erstes Album soll bald erscheinen. Mit zwei Frauen in einer vierköpfigen Band hat sie zumindest einen gewissen Exotik-Bonus und dürfte über die Zeit einige Fans sammeln. Die erste Auflage einer ersten 7“ war zügig ausverkauft.

Kritik: Placebo live in der Lanxess Arena Köln

Am Samstagabend spielten Placebo in der nahezu ausverkauften Lanxess Arena in Köln. Die britische Band bot bei einem ihrer recht seltenen Gastspiele in Deutschland eine Show auf höchstem Niveau. Nicht nur das Set überzeugte mit einer gelungenen Mischung aus Songs der frühren Bandgeschichte, über die Hits, bis hin zu einigem an neuem Material aus dem aktuellen Album „Loud Like Love“.

War schon das Artwork dieser LP voller Farben, sorgten auf dem Konzert vor allem eine riesige Leinwand im Bühnenhintergrund und zahlreiche weitere Projektionsflächen mit experimentellen Visualisierungen, Videosequenzen und Live-Bildern für eine wahre visuelle Flut. Die Musik stand aber zu jedem Zeitpunkt im Mittelpunkt, was auch durch das fast völlige Wegfallen von Ansagen verstärkt wurde. 22 Songs wurden in etwas über 100 Minuten präsentiert. Das Publikum, welches bei der recht experimentellen Vorband Toy lediglich etwas applaudierte, hießen die um zwei weitere Gastmusiker erweiterte dreiköpfige Band herzlich willkommen und war sichtlich begeistert von der großartigen Live-Qualität der Band.

Kritik: Justin Timberlake – The 20/20 Experience

Justin Timberlake - The 20/20 Experience - Cover

Ich persönlich kann die oft negativen Kritiken zum Doppel-Album „The 20/20 Experience“ nicht nachvollziehen. Für mich scheint es so, als sei es gar das Ziel Timberlakes gewesen, mit extrem überlangen Songs (bis zu 9:30!) zu provozieren. Song-Strukturen wurden aufgeweicht. Natürlich gibt es Refrains, Strophen und Bridges, aber durch zahlreiche Pre- und Interludes ergibt sich aus den insgesamt 22 Songs (inkl. Hidden Track) fast schon eine Art Prog-Pop-Album mit einer Gesamtlänge von über 140 Minuten. Manchmal bemerkt man gar nicht, dass man sich bereits im nächsten Titel befindet. Wer hier noch von klassischem R’nb redet, liegt meiner Meinung nach daneben. Natürlich ist der Grundbaustein noch da: Die immernoch großartigen organischen Beats von Timbaland, die Uh’s und Ah’s, die leichte Kopfstimme. Doch „The 20/20 Experience“ bietet so viel mehr. Auf keinem JT-Album gab es so viel, wohlgemerkt gut gemachten, Soul bzw. Funk, wie auf diesem. Im Hidden-Track „Pair Of Wings“ auf „Pt. 2“ wagt er sich gar an lupenreinen Singer-Songwriter-Pop. Gerade dieses übergroße Format in dem das Doppel-Album daherkommt, macht es fast zu einem Meisterwerk der aktuellen Popmusik, weil es ohne Guetta-Synthies auskommt, ohne übertriebene Disco-Nummern, sich nicht anpasst, sondern das Vorgänger-Werk „Futuresex/Lovesounds“, welches zwar mehr Hits hatte, aber auch viel heterogener klang, weiterentwickelt hat.

Man könnte den Produzenten vorwerfen ein langweiliges Werk abgeliefert zu haben, welches sich stellenweise wie ein Kaugummi auseinandergezogen wurde, doch wenn man sich wirklich auf dieses Doppel-Album einlässt, wird man mit über 140 Minuten hochwertiger, gut gemachter Popmusik belohnt.

Besonders empfehlenswert ist „The Complete 20/20 Experience“ auf 4fach-Vinyl in einer dicken goldenen Box zum Preis einer regulären LP. In der Box befinden sich beide Teile, jeweils extra verpackt als Gatefold inklusive mp3-Download-Code. Unbedingt zugreifen und gut gemachte Popmusik genießen!

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Kritik: Huntress – Starbound Beast

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Mit „Starbound Beast“ haben Huntress, meiner Meinung nach, eine der besten Heavy Metal Platten des Jahres herausgebracht. War ich vom ersten Album „Spell Eater“ aufgrund fehlender Griffigkeit noch nicht so angetan, hat mich das „Starbound Beast“ nun absolut umgehauen. Recht epischer, aber nicht zu sehr abgehobener Heavy Metal, der gerne mal mit Genres spielt (z.B. Doom Metal, Thrash Metal, Alternative Metal), aber ein eigenes Konzept auf grundsolider Heavy Metal Basis hat. Vor allem die Abmischung und der Gesamtklang ist im Gegensatz zum Vorgänger deutlich besser gelungen und gibt allen Teilen genug Raum.

Mit Frauen im Heavy Metal ist das ja auch so eine Sache. Einige proklamieren direkt, dass man die Damen doch nur für die Aufmerksamkeit bräuchte (besonders wenn es sich dann auch noch um ein Model handelt). Anderen ist es glücklicherweise egal, ob da jetzt Männlein oder Weiblein steht und lenken ihren Fokus auf die Qualität. Diese stimmt bei Huntress definitiv! Was Jill Janus hier abliefert ist vorbildlich! Gute, sehr kraftvolle, aber auch dynamische Stimme die perfekt mit der Band harmonisiert.

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