Kony

by Yannik

Es dürfte wohl eines der größten (Internet-)Phänomene des Jahres 2012 werden: Das Projekt „Kony 2012“ der US-amerikanischen Non-Profit-Organisation Invisible Children.

Die Kampagne hat es sich zum Ziel gemacht, den afrikanischen Warlord und Kriegsverbrecher Joseph Kony noch in diesem Jahr zu verhaften. Dies soll vor allem dadurch geschehen, dass Politik und Medien auf die Kampagne und die Person Kony aufmerksam gemacht werden.

Begonnen hat die Diskussion um das Thema, mit einem vor etwa 2 Wochen auf YouTube veröffentlichten Video des Regiesseurs Jason Russell. Innerhalb kürzester Zeit, hat sich der für das Internet überlange Film, überaus weit verbreitet. Vor allem junge Menschen, haben das Video und die offizielle Seite des Projekts hauptsächlich über soziale Netzwerke, wie Facebook und Twitter verbreitet, so dass der knapp 30-minütige Film bis heute allein in seiner Originalversion über 80 Millionen Aufrufe hat.

In dem Film wird Kony unter anderem mit Adolf Hitler und Osama bin Laden gleichgesetzt.

Erweitert werden soll die Aufmerksamkeit durch das Anbringen von Plakaten weltweit in der Nacht vom 20. auf den 21. April, wodurch die Aktion auch in der analogen Welt stattfinden würde. Ein für 30$ erhältliches sogenanntes „Action Kit“ (Invisible Children Store), welches unter anderem T-Shirt, Sticker und Poster enthält, ist zurzeit ausverkauft, neue Bestellungen werden nicht mehr angenommen.

Die Politik soll Soldaten in das ostafrikanische Uganda schicken, um so der „Lord’s Resistance Army“ (LRA) Joseph Konys ein Ende zu bereiten. Der Film suggeriert, das vor allem Kinder teil dieser Armee sein, was bei einem über die Hälfte der Bevölkerung ausmachenden Anteil an Kindern und Jugendlichen bis 20 Jahren jedoch auch nicht überraschend ist. Der Altersdurchschnitt des Landes liegt bei 15 Jahren (vgl. Wikipedia).

Doch inwiefern ist die Teilnahme an diesem Projekt wirklich ein Beitrag für eine „bessere Welt“, wieviel bringt die massive Unterstüzung von „Kony 2012“ wirklich?

Bisher gehen die meisten deutschen Medien mit dem Thema eher kritisch um. Wirklich überzeugte Meinungen, lesen sich fast kaum.

Gründe dafür gibt es tatsächlich genug. So soll Joseph Kony sich persönlich gar nicht mehr in Uganda aufhalten, sondern längst in ein anderes, vermutlich eines der umliegenden, Länder geflüchtet sein. Auch seine LRA ist laut Berichten stark geschwächt und habe nur noch um die hundert Mitglieder, deren Aktivitäten sich vornehmlich in anderen Ländern abspielen und längst nicht mehr so brutal und groß angelegt gestalten.

Zudem hat die US-Regierung 100 Militärberater in der Region im Einsatz, die bereits an der Zerschlagung der LRA und der Festnahme Konys arbeiten. Tatsächliches Eingrefen der USA lässt sich sogar bis ins Jahr 2001 zurückverfolgen, seit dem hat man sich immer mal wieder konzentriert mit der Lage in der Region auseinandergesetzt. Aufgrunddessen ist das auf einmal entstandene Interesse an dem Konflikt noch außergewöhnlicher.

Es ist tatsächlich äußerst fraglich, inwiefern sich ein solch großer Aufwand rechtfertigen lässt und vor allem, ob nun wirklich mehr als eine breite Diskussion erzeugt wird.

Auch die vermeintliche Scheinheiligkeit der an „Kony 2012“ partizipierenden Menschen lässt sich aufgreifen. Macht ein Klick und der Kauf von Merchandising wirklich einen großen Unterschied? Vielleicht erzeugt das Ganze zumindest für kurze Zeit ein erhöhtes Interesse an Politik, aber letzendlich auch nur an einem konkreten (politischen) Problem. Wieviel hat das Ganze tatsächlich mit politischem Aktivismus zu tun? Ein digitales Teilen ist doch längst nicht so viel wert, wie analoges öffentliches Agieren. Zudem gäbe es sicherlich auch eine Vielzahl an Projekten für die es sich mehr einzusetzen lohnen würde. Wo die persönliche Hilfe, direkter angelangen würde und nicht im Nichts erlischen würde.

Ich bin gespannt, wie lange „Kony 2012“ noch wirkliche Beachtung finden wird und ob tatsächlich etwas geschieht, ob überhaupt etwas geschehen kann. Wer weiß, ob sich nicht in ein paar Monaten schon kaum noch jemand mit der Sachlage beschäftigen wird? Schließlich leben wir in einer digitalisierten, schnelllebigen Welt.

offizielle Website der Aktion
Kommentar von Alexandra Endres auf Zeit Online
Übersetzter Artikel des britischen Journalisten Michael Wilkerson auf freitag.de
Artikel von Simone Schlindwein auf taz.de